Freitag, 8. April 2022

Kopenhagen – eine Reise wert? (Teil 1: Fahrradverkehr)

Kopenhagen gilt wegen des hohen Radfahreranteils als Vorbild für andere Großstädte. Das ist in weiten Teil gerechtfertigt. Da gibt es breite, großzügig dimensionierte Fahrradrouten, architektonisch spannende Lösungen für Brückenbauwerke dort, wo Radfahrer sie brauchen, um möglichst direkt und komfortabel ihr Ziel zu erreichen. Da gibt es richtig gut gestaltete Stadtplätze, die nahezu vollständig mit Fahrrädern zugestellt sind. Faszinierend! Faszinierend?

Hier muss die Frage erlaubt sein, die auch in den Niederlanden immer häufiger gestellt wird: Wieviel Fahrradverkehr verträgt eine Stadt und welche Infrastrukturen muss man dafür vorhalten? Es ist beispielhaft, so viele Brücken für den Fahrradverkehr zu bauen (besonders sehenswert Lille Langebro, Circelbroen, Inderhavnsbroen, Cykleslangen), will man aber als Fußgänger die Wasserwege queren – dann wird es schnell nervig.

 





Den Stadtplatz auf dem Norreport Bahnhof (Norre Voldgade) kann man als gigantischen Mobilitätshub bezeichnen und ist mit der organischen Formgebung der Fahrradmulden und den Kiosk-Gebäuden mit begrünten Dächern avantgardistisch gestaltet – großes Kino! Aber: Aufenthaltsqualität auf diesem zentralen Stadtplatz? Nicht wirklich vorhanden. Fußgängerfreundlichkeit? Überschaubar. Auffinden der richtigen Bushaltestelle in der gewünschten Richtung? Ohne Ortskenntnis fast unmöglich. Wiederfinden und herauspuhlen des abgestellten Fahrrades? Abenteuerlich. 




Man muss sich trotz des extrem hohen Fahrradanteils von dem Gedanken frei machen, Kopenhagen sei eine Stadt mit wenig Kfz-Verkehr. Quer durch die Innenstadt verlaufen hochleistungsfähige sechs- und achtstreifige Hauptverkehrsstraßen (z. B. H.C. Andersens-Blvd.), die durch die hochwertigen Radverbindungen entlastet und damit noch leistungsfähiger werden; häufig begleitet von schmalen Gehwegen, die zusätzlich durch abgestellte Fahrräder eingeschränkt sind.

Kopenhagen – eine Reise wert? In jedem Fall! Man kann in dieser Stadt viel lernen und von den Erfahrungen profitieren: Zum Beispiel wieviel Mut und Zeit es braucht, eine Stadt auf diesen Weg zu bringen, dass sich eine erfolgreiche Fahrradförderung in einer hochwertigen Infrastruktur niederschlagen muss, aber auch, dass man Mobilität, insbesondere auch bezogen auf den Fußverkehr ganzheitlich betrachtet und man sich die Frage noch einmal kritisch stellen sollte, wieviel Kfz-Verkehr verträgt diese Stadt? Da hat Kopenhagen noch ein Stück des Weges vor sich.

Kopenhagen – eine Reise wert? Ja, aus noch ganz anderen Gründen, siehe Teil 2!

 

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