Das Jahr 2019 brachte Neuerungen im Lärmschutz, die selbst
die engere Fachwelt überrascht haben; andere Neuerung waren lange bekannt und
sind trotzdem bei einem breiteren Fachpublikum nicht angekommen – der Versuch
einer Einordnung.
Es begann im Januar mit der Einführung der "BUB". Die
Einführung von KNOSSOS hatte sich ja weitgehend herumgesprochen, aber "BUB"?
Die Berechnungsmethode für den Umgebungslärm von bodennahen Quellen (Straßen,
Schienenwege, Industrie und Gewerbe) ist die nationale Umsetzung von KNOSSOS und ersetzt die
VBUS, VBUSch und VBUI. Die BUB ist seit dem 1. Januar 2019 für die Berechnung
von strategischen Lärmkarten verbindlich.
Es folgte im Juni 2019 die EU-Verordnung 2019/1010 - kennt
fast niemand. In einem Sammelsurium von veränderten EU-Verordnungen ist weit
hinten der Artikel 2 "Änderung der Richtlinie 2020/49/EG" zu finden.
Die wichtigste Änderung: Ab der vierten Runde der Lärmaktionspläne wird die Bearbeitungszeit
auf zwei Jahre ausgeweitet und heilt damit die bisherige, praxisferne Jahresregelung.
Die überarbeiteten oder neuaufgestellten Lärmaktionspläne müssen also nicht im
Juli 2023, sondern erst zum 18. Juli 2024 an die EU gemeldet werden.
Und im September folgte die Überraschung des Jahres: Die lange
erwarteten RLS-19 wurden eingeführt! Tatsächlich? Nein, nur ein bisschen.
Aber der Reihe nach: Am 29. Oktober teilt die FGSV per E-Mail mit, das die
RLS-19 jetzt beim Verlag bestellt werden kann. Das kam für die gesamte Fachwelt
ziemlich überraschend, hatte man doch mit einem weiteren Aufschub gerechnet. Am
31. Oktober wurden die RLS-19 im Verkehrsblatt veröffentlicht und damit vom
BMVI verbindlich eingeführt. Verbindlich? Jein, denn: "Sobald
die Zweite Verordnung zur Änderung der 16. Verordnung zur Durchführung des
Bundes-lmmissionsschutzgesetzes mit der direkten Bezugnahme auf die RLS-19 in
Kraft getreten ist, werden die Abschnitte 3 und 1 der RLS-19 bei der
Lärmvorsorge anstelle des Berechnungsverfahrens nach Anlage 1 der 16. BlmSchV
bzw. nach Kapitel 4 der RLS-90 gelten." Heißt somit: Die Teile 0. (Anwendungsbereich
und Zielsetzung) sowie 2. (Möglichkeiten zur Minderung von Lärmeinwirkungen
durch Planung) sind eingeführt und ersetzen die RLS-90, im Übrigen gelten weiterhin
die RLS-90. Das Verfahren zur Änderung der 16. BImSchV hat nach unserer
Kenntnis gerade erst begonnen und eine Verabschiedung ist derzeit nicht
abzusehen – das kann also dauern.
Fassen wir zusammen: Die vorläufigen Berechnungsmethoden gelten
nicht mehr, KNOSSOS wurde als BUB in nationales Recht übernommen, die RLS-19 ist
ein bisschen eingeführt, in wesentlichen Punkten gelten aber weiterhin die
RLS-90. Von dem Wunsch nach einer Vereinheitlichung des Lärmschutzrechts sind
wir heute weiter entfernt als je zuvor!
Dieser Post bezieht sich nur auf den der derzeit erkennbaren
rechtlichen Stand – der ist schon unübersichtlich genug. Richtig spannend wird aber
erst die Frage, ob bzw. in welchem Umfang sich die Berechnungsergebnisse nach RLS-90,
VBUS, BUB und RLS-19 unterscheiden. Erste Hinweise lassen nichts Gutes erahnen.
Richtig spannend wird die Frage nach den Unterschieden zwischen den Berechnungsmethoden
im Zusammenhang mit den derzeitig geltenden Lärmvorsorgewerten, Lärmsanierungswerten
und Auslösewerten für den Lärmaktionsplan. Müssen wir Lärmbetroffenen zukünftig
erklären, dass sie entgegen bisherigen Feststellungen gar kein Lärmproblem
haben, weil sich die Berechnungsmethoden geändert haben?